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Die Krise des Informations Journalismus

14.4.2015 - Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland waren die Medien-Gaukler so ratlos unter der Zirkuskuppel wie heute. Soll man sich darüber freuen oder muss man Sorge tragen? Wohl beides. Freuen darf man sich darüber, dass ein verhängnisvolles Geschäftsmodell sich offensichtlich seinem Ende zuneigt. Wer der Meinung ist, dass das Mediengeschäft in erster Linie ein Geschäft ist und dass ein Verlag nichts anders geführt werden sollte als eine Schraubenfabrik, selbst wenn in ihr an den Stellschrauben unserer Gesellschaft gedreht wird, hat sich die aktuellen Umsatzeinbußen redlich verdient. Die Ökonomisierung unseres Berufes durch viele Verlagsmanager, die sich ausschließlich an der Rendite messen ließen, war der Anfang einer Fehlentwicklung, die den Journalismus zum Konsumgut degradiert hat. Dumm nur, dass die Klientel im Zirkus Maximus, die man sich auf billigstem Unterhaltungsniveau heran gezüchtet hat, inzwischen in arge Zahlungsschwierigkeiten geraten ist, was die werbetreibende Wirtschaft nun davon abhält, in gewohnter Weise in Anzeigen zu investieren. Betroffen sind in erster Linie die Printmedien. Der Untergang solcher Dickschiffe wie Newsweek oder Financial Times Deutschland ist ein alarmierendes Zeichen. Da helfen den Zeitungen auch die  zahlreichen Onlineangebote nicht weiter, die mit ihren niedrigen Wertbeeinnahmen keine Ausfallbürgschaft antreten können. Ein Großteil des Werbekuchens wird inzwischen durch branchenfremde Akteure wie Suchmaschinen, Social Media und Telekommunikationsunternehmen abgezogen. 

Wohl gemerkt, wir reden hier ausschließlich von der Krise des Informationsjournalismus, von der vierten Macht im Staate. Und da muss man sich in der Tat Sorgen machen. Schließlich lässt sich an den Geschäftsmodellen, die Dienstleistungen und Merchandising an journalistische Plattformen binden, eine höchst unerfreuliche Nebenwirkung ablesen: die Erosion der redaktionellen Unabhängigkeit. Ein hohes Gut in der Demokratie, dessen Zerfall von den Medien selbst betrieben wird. Durch den Abbau von Korrespondentennetzen und Ressorts zum Beispiel, durch die Schaffung sogenannter Zentralredaktionen für verschiedene Zeitungen, durch die Hörigkeit gegenüber der Marktforschung und nicht zuletzt durch eine „zielgerichtete“ Ausbildung des Journalistennachwuchses.

Michael Jürgs, ehemaliger Stern-Chefredakteur, beklagt vor allem das Letztere:  „Auf den Journalistenschulen heißt es, der Beruf ist viel breiter gefächert als zuvor. Jobs sind schwierig zu bekommen. Also müsst ihr auch in PR-Angelegenheiten fit sein, ihr müsst Online perfekt sein, euch mit dem i-Pad auskennen und eine Videokamera bedienen können. Hauptsache ihr seid schnell und billiger als die anderen“. Noch unverblümter äußert sich Harald Schumann vom Tagesspiegel dazu: „Um der wirklichen Gefahrenlage, in der wir uns befinden, als Journalist gerecht zu werden, bräuchte es eine Form von innerer Unabhängigkeit, die die meisten Kollegen nicht haben. Auf den Nachwuchs braucht man nicht zu setzen. Der Zugang zum Journalistenberuf ist inzwischen so schwer geworden, dass die jungen Leute, die in den Beruf kommen, eine Orgie der Anpassung hinter sich haben, bevor sie das erste Mal einen festen Vertrag unterzeichnen dürfen“.

Wann endlich begreift man in den Chefetagen der Verlagshäuser, dass wir uns die selbstgezimmerte Krise des Informationsjournalismus nicht leisten können? Der Journalismus genießt in unserer Gesellschaft schon lange nicht mehr die Wertschätzung, die ihm gebührt, er wird nicht mehr als kulturelle Leistung begriffen, auf die wir ein Anrecht haben. „Die Menschen haben ein im Grundgesetz verbrieftes Recht auf Informationen,“ mahnt Klaus Liedtke,  Ex-Chefredakteur beim Stern und National Geographic, „sie brauchen vernünftige, solide Informationen, damit sie als Bürger in unserer Demokratie in die Lage sind, vernünftige Entscheidungen fällen zu können. Und die Medien stehen in der Pflicht, diese Informationen zu liefern. Wer sollte es sonst tun?“

Der Schweizer Medienwissenschaftler Kurt Imhof gibt Liedtke recht: „Die Medien färben uns mit ihrer Auswahl, Interpretation und Darstellung die Welt ein und beeinflussen unsere Aufmerksamkeit und unsere Erwartungen. Medien sind deshalb auch Vertrauensgüter. Der Medienkonsument muss sich darauf verlassen können, dass er vielfältig, objektiv und nicht einseitig über Relevantes informiert wird, damit er sich als Bürger an der Gesellschaft beteiligen kann“. Allerdings lässt Imhof keinen Zweifel daran, dass er diesen Anspruch inzwischen für illusorisch hält: „Mit der Kommerzialisierung des Medienwesens lassen sich die Qualitätsansprüche des professionellen Journalismus immer weniger erfüllen und damit auch nicht die notwendigen Leistungsfunktionen der politischen Öffentlichkeit. Human-Interest-Storys nehmen zu, die Außenberichterstattung schrumpft – wir werden also ausgerechnet in der Globalisierung innenpolitisch dümmer“. Dafür sieht er vor allem einen Grund: Der Informationsjournalismus ist der Transnationalisierung der Politik nicht nachgewachsen, d.h. es gibt keine europäische Öffentlichkeit, dafür aber wirkmächtige transnationale politische Institutionen ohne Öffentlichkeit. „Das schmälert die demokratische Auseinandersetzung und bedeutet einen Rückschritt,“ so Imhof.

Und diesen Rückschritt haben wir ausgerechnet in einer Zeit hinzunehmen, die nichts dringender braucht als eine funktionierende freie Presse, welche sich der seriösen Aufklärung verpflichtet fühlt. Die Lebensbedingungen auf der Erde sind dabei, sich dramatisch zu verändern. An erster Stelle ist natürlich die vom Menschen verursachte Öko-Katastrophe zu nennen, die viel schneller voranschreitet, als noch vor wenigen Jahren prognostiziert. Der Klimawandel ist nur ein Aspekt, aber allein er wird in absehbarer Zeit enorme Auswirkungen auf unser politisches, wirtschaftliches, soziales und kulturelles Leben haben. Der rasante Ausverkauf der natürlichen Ressourcen, der durch den Wachstumsrausch in den ehemaligen Schwellenländern China, Indien und Brasilien noch extrem befördert wird, gibt ebenfalls zu größter Sorge Anlass. Ganz abgesehen von dem kriminellen Gebaren einer giergesteuerten internationalen Finanzindustrie, welche die Werte der bürgerlichen Gesellschaft sukzessive zersetzt und uns die Demokratie aus der Hand zu nehmen droht, wie der stellvertretende Chefredakteur des Stern Hans-Ulrich Jörges befürchtet.

Aber solange sich die Medien als Teil der Unterhaltungsindustrie begreifen, ist ihr Einfluss auf die Gesellschaft ätzend und zersetzend. Wenn Giovanni di Lorenzo beispielsweise sagt, dass Begriffe wie Klimawandel oder Nachhaltigkeit selbst die Leser der ZEIT regelmäßig abzuschrecken scheinen, ist das ein erbärmliches Zeugnis für die Medien. Sie selbst haben sich ein derart desinteressiertes Publikum geschaffen. „Woran liegt es, dass einige der wichtigsten Fragen der Menschheit auf ein so geringes Interesse stoßen?“ gibt sich di Lorenzo dennoch ratlos. Dafür gibt es mehrere Ursachen. Während die Politik es noch immer als ihr erklärtes Ziel ansieht, Wachstumszahlen zu produzieren und dabei von den Mainstreammedien kräftig unterstützt wird, wächst die Zahl der Menschen, die sich nach praktikablen Lösungsmöglichkeiten außerhalb  des kollabierenden kapitalistischen Systems sehnen, sprunghaft an. Die Kommunikation im Internet gibt darüber Aufschluss. Es ist schon erstaunlich, wie unzureichend diese Aufbruchstimmung von den klassischen Medien erfasst wird. Vielleicht begreifen die Medienmacher ja doch noch, dass man nicht zwangsläufig an den Menschen vorbei redet, wenn man ihnen vorstellt, was an positiven Zukunftsentwürfen längst angedacht und möglich ist. „Die wirklichen Veränderungen in der Gesellschaft finden oft jenseits dessen statt, was wir im Print oder meinetwegen auch Online veranstalten,“ gesteht Michael Jürgs. „Das sind alles Bewegungen, die nicht von uns bewirkt worden sind: Occupy, Attac, Anonymous, Wiki-Leaks. Diese Leute interessiert nicht mehr, was die klassischen Medien machen“.

Wohl wahr. Die politische Demarkationslinie verläuft schon lange nicht mehr zwischen links und rechts, zwischen oben und unten, sie verläuft mittlerweile zwischen zukunftsfeindlich und zukunftsfähig. Die Medien müssen sich fragen, ob es möglich ist, die Aufregung und das Aufregende unserer Zeit neu zu gewichten. Oder ob ihnen auf ewig die Hände gebunden sind in der gnadenlosen Gewinn- und Verlustrechnung unserer Tage. Aber wie immer man es andenkt, es bleiben Wunschträume. „Medien können niemals als Speerspitze eines gesellschaftlichen Umbruchs fungieren,“ gibt zum Beispiel Harald Schumann zu bedenken. „Wie soll das auch funktionieren? Es sind ja die Journalisten, die Medienarbeiter, die das tun müssten. Und die sind tief eingebettet in unsere Gesellschaft. Woher sollte denn plötzlich ein avantgardistisches Bewusstsein der Medienarbeiter kommen? Neunundneunzig Prozent unserer Kollegen wären damit überfordert. Medien sind nur dann Instrumente zur gesellschaftlichen Veränderung, wenn sich die Gesellschaft schon in einem Umbruch befindet. Wer diese Reihenfolge umdrehen will, hängt einem naiven Wunschtraum an.“

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